Die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz, 1. Teil

Die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz, 1. Teil

Rechnungen können nicht bezahlt werden, Mahnungen häufen sich, die Kreditraten sind im Rückstand, das Konto wird gepfändet und der Gerichtsvollzieher war auch schon da: Schätzungen zufolge sind in Deutschland aktuell rund sieben Millionen Privatpersonen überschuldet. Einige von ihnen hatten schon länger finanzielle Schwierigkeiten, andere sind durch die Corona-Krise in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Trotzdem wurden im Jahr 2020 nur etwa 46.000 Verbraucherinsolvenzen beantragt.

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Die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz, 1. Teil

Dabei kann die Privatinsolvenz ein Weg sein, um die Schulden abzutragen und finanziell noch einmal von vorne zu beginnen. Zumal die Hürden für das Verfahren rückwirkend seit dem 1. Oktober 2020 deutlich niedriger sind.

In einem zweiteiligen Beitrag beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Thema und erklären die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz:

Was bedeutet Verbraucherinsolvenz?

Wenn der Schuldenberg so groß wird, dass gar nichts weitergeht, kann eine Verbraucherinsolvenz die rettende Lösung sein. Durch das Verfahren werden die Schulden gestrichen, auch wenn der Schuldner die Forderungen nicht vollständig begleichen konnte. Dieser Vorgang wird als Restschuldbefreiung bezeichnet. Allerdings ist die Restschuldbefreiung an einige Voraussetzungen geknüpft.

Den Antrag auf eine Verbraucherinsolvenz kann nur eine Privatperson stellen, die vorher keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat. Das Verfahren ist also, vereinfacht erklärt, für die privaten Schulden eines Verbrauchers vorgesehen. Aus diesem Grund können die Begriffe Verbraucherinsolvenz und Privatinsolvenz synonym verwendet werden.

Ein Selbstständiger kann zwar auch Privatinsolvenz beantragen. Voraussetzung ist dann aber, dass gegen ihn keine Forderungen bestehen, die mit Arbeitsverhältnissen zusammenhängen. Außerdem müssen seine Vermögensverhältnisse überschaubar sein. Die Insolvenzordnung geht davon aus, wenn es bei der Antragstellung weniger als 20 Gläubiger gibt (§304 Abs. 2 InsO).

Zum 1. Januar 2021 ist eine Reform des Insolvenzrechts in Kraft getreten. Eine Neuerung dabei ist, dass das Verfahren jetzt nur noch drei Jahre dauert. Vorher waren es bis zu sechs Jahre. Außerdem ist die Mindestquote für den Schuldenanteil, den der Schuldner mindestens zurückzahlen muss, weggefallen. Auch die Verfahrenskosten muss der Schuldner nicht mehr innerhalb der drei Jahre komplett beglichen haben.

Die neuen Regeln gelten rückwirkend für alle Privatinsolvenzverfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Schuldner, die ihren Antrag zwischen dem 17. Dezember 2019 und dem 30. September 2020 gestellt haben, profitieren von einer Übergangsregelung. Demnach reduziert sich die sechsjährige Verfahrensdauer um die Anzahl der vollen Monate, die zwischen dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie und der Antragsstellung vergangen sind.

Die EU-Richtlinie ist seit dem 16. Juli 2019 gültig. Hat der Schuldner seinen Antrag zum Beispiel Anfang Februar 2020 gestellt, verkürzt sich sein Verfahren also um sechs Monate. Damit kann er dann nach fünfeinhalb Jahren von den verbliebenen Schulden befreit werden.

Welche Vor- und Nachteile ergeben sich durch die Verbraucherinsolvenz?

Ein Insolvenzverfahren soll dabei helfen, den Weg aus den Schulden zu finden. Aber es soll natürlich keine Einladung dazu sein, erst Schulden zu machen, um sich dann zulasten der Gläubiger davon befreien zu lassen.

Aus diesem Grund sollte die Verbraucherinsolvenz immer nur die letzte Lösung sein. Zumal das Verfahren neben Vorteilen auch einige Nachteile bietet:

Die Vorteile

Der größte Pluspunkt ist, dass der Schuldner nach drei Jahren wieder schuldenfrei ist. Nach Ablauf des Verfahrens kann er einen sauberen Schlussstrich ziehen und einen wirtschaftlichen Neuanfang machen. Ohne die Verbraucherinsolvenz können die Gläubiger 30 Jahre lang pfänden, wenn sie einen Titel erwirkt haben. Drei Jahre nach der erteilten Restschuldbefreiung werden zudem die negativen Einträge aus der Schufa gelöscht.

Ein weiterer Vorteil ist, dass es keine Lohn- oder Kontopfändungen mehr gibt. Sie sind mit Eröffnung des Verfahrens Geschichte. Auch der Gerichtsvollzieher stattet dem Schuldner keine Besuche mehr ab.

Denn sowohl die Schulden als auch das Vermögen des Schuldners werden während des Verfahrens von einem Treuhänder verwaltet. Deshalb muss der Gerichtsvollzieher nicht mehr überprüfen, ob es verwertbares Vermögen gibt.

Hinzu kommt, dass die Pfändungsfreigrenzen sicherstellen, dass dem Schuldner auf jeden Fall ein Existenzminimum bleibt. Hat der Schuldner keine Unterhaltsverpflichtungen, sind rund 1.180 Euro pro Monat nicht pfändbar. Diese Grenze gilt seit Juli 2019.

Muss er Unterhalt bezahlen, erhöht sich der Betrag. Die Praxis zeigt, dass viele Schuldner während des Insolvenzverfahrens mehr Geld zur Verfügung haben als zuvor. Das liegt an den Pfändungsfreigrenzen, aber oft auch daran, dass nun ein Treuhänder ihr Geld verwaltet.

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Die Nachteile

Den Vorteilen der Verbraucherinsolvenz stehen einige Nachteile gegenüber. Dazu gehört, dass das Verfahren dauert. Auch wenn die Verfahrensdauer durch die Neuregelung jetzt kürzer ist, sind es eben nach wie vor drei Jahre, bis der Schuldner aufatmen kann.

Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber Bescheid weiß. Denn der Schuldner muss seinen Arbeitgeber über die Verbraucherinsolvenz informieren, damit dieser die entsprechenden Einkommensanteile an den Treuhänder überweisen kann. Außerdem muss sich der Schuldner einschränken.

Größere Anschaffungen sind während des Insolvenzverfahrens nicht drin. Gleiches gilt für Ratenkäufe, den Dispokredit und Kreditkarten.

Die Verbraucherinsolvenz wird in der Schufa erfasst. So ein Negativmerkmal macht es aber sehr schwer, einen neuen Mietvertrag abzuschließen oder den Stromversorger, Telefonanbieter oder Versicherer zu wechseln. Und weil der Eintrag erst drei Jahre nach der Erteilung der Restschuldbefreiung gelöscht wird, wird dem Schuldner nicht viel anderes übrig bleiben, als die bestehenden Verträge noch einige Jahre lang fortzuführen.

Andererseits weist die Schufa bei einem überschuldeten Verbraucher oft ohnehin schon negative Merkmale auf. Diese Problematik dürfte der Schuldner daher bereits kennen.

Ein weiterer Minuspunkt sind die Kosten, die die Verbraucherinsolvenz verursacht. Sowohl für den Treuhänder als auch fürs Gericht fallen Gebühren an, die der Schuldner bezahlen muss. Trotzdem kann das Verfahren die deutlich bessere Lösung sein. Zumal die Forderungen durch Mahngebühren und Verzugszinsen stetig steigen, wenn der Schuldner nicht bezahlt.

Im 2. Teil schauen wir uns an, wie die Verbraucherinsolvenz abläuft.

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