Die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz, 2. Teil

Die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz, 2. Teil

Schätzungen zufolge sind in Deutschland knapp sieben Millionen Privathaushalte überschuldet. Ein Weg aus den Schulden kann dann eine Verbraucherinsolvenz sein. Natürlich ist ein Insolvenzverfahren kein Allheilmittel, das in jedem Fall die beste Lösung ist. Aber wenn es keinen anderen Ausweg gibt, kann das Verfahren eben dabei helfen, die wirtschaftliche Situation in Ordnung zu bringen und noch einmal von vorne zu beginnen.

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Die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz, 2. Teil

Ein Pluspunkt für Betroffene ist, dass die Hürden für das Verfahren seit Oktober 2020 deutlich niedriger sind.

Nun können viele Verbraucher mit dem Begriff Privatinsolvenz aber nicht viel anfangen. Deshalb klären wir in einem zweiteiligen Beitrag die wichtigsten Punkte und die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz. Dabei haben wir im 1. Teil beantwortet, was genau eine Verbraucherinsolvenz ist und welche Vor- und Nachteile das Verfahren bietet.

Hier ist der 2. Teil!:

Wie läuft die Verbraucherinsolvenz ab?

Zunächst einmal braucht der Schuldner einen Schuldnerberater oder einen Rechtsanwalt, der ihn bei dem Verfahren unterstützt. Das Statistische Bundesamt stellt online einen Schuldneratlas zur Verfügung, durch den sich der Schuldner über Beratungsstellen in seiner Nähe informieren kann.

Einige Schuldnerberater und Anwälte bieten ihre Unterstützung kostenfrei an, andere Beratungsstellen begleiten den Schuldner kostenpflichtig durch das Verfahren. Generell muss sich der Schuldner aber auf längere Wartezeiten einstellen, bis er einen Termin in einer Schuldnerberatungsstelle bekommt. Deshalb sollte er frühzeitig aktiv werden.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren umfasst sechs Stufen. Allerdings muss der Schuldner nicht immer alle Phasen durchlaufen. Kommt vorher schon eine Einigung zustande, fallen die nachfolgenden Schritte weg.

  1. Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Bevor das eigentliche Insolvenzverfahren beginnen kann, muss ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren stattfinden. Das sieht § 305 der Insolvenzordnung vor. Das Ziel dieses Verfahrens ist, sich mit den Gläubigern zu einigen, ohne dass ein Gerichtsverfahren notwendig wird.

Für das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren muss der Schuldner zusammen mit seinem Berater erst einmal abklären, wie hoch die Schulden sind und bei wem sie bestehen.

Hilfreich ist deshalb, wenn der Schuldner alle relevanten Unterlagen zusammensucht. Am besten heftet er dann alles, was die vorhandenen Schulden und offenen Forderungen dokumentiert, in einem Ordner ab. In einem zweiten Ordner sollte er Nachweise zum Einkommen und Vermögen zusammenstellen.

Gemeinsam mit dem Berater erarbeitet der Schuldner anschließend einen Schuldenbereinigungsplan. So ein Plan verursacht viel Aufwand. Um eine Lösung zu finden, führt aber kein Weg daran vorbei. Der Berater setzt sich mit allen Gläubigern in Verbindung und schildert ihnen die Situation.

Außerdem bietet er ihnen Einmal- oder Ratenzahlungen an und bittet gleichzeitig darum, den angebotenen Betrag anzunehmen und auf den Rest der Forderung zu verzichten.

Der günstigste Fall ist, dass alle Gläubiger mit dem Schuldenbereinigungsplan einverstanden sind. Ein Gerichtsverfahren wird dann nämlich nicht notwendig und der Schuldner spart sich die Kosten für das Insolvenzverfahren. In der Praxis klappt das allerdings nicht so oft.

Denn längst nicht alle Gläubiger sind bereit, sich nur mit einem Teilbetrag zufriedenzugeben. Doch wenn nur ein Gläubiger den Plan ablehnt, ist ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren vom Tisch.

  1. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Kam keine außergerichtliche Einigung zustande, kann der Berater das Insolvenzverfahren vor Gericht beantragen. In diesem Zuge muss er den Schuldenbereinigungsplan vorlegen und erläutern, warum die außergerichtliche Einigung gescheitert ist.

Das Insolvenzverfahren prüft daraufhin, welche Erfolgsaussichten ein Schuldenbereinigungsverfahren hat. Sieht es hier wenig Chancen auf eine Einigung, kann es gleich das Insolvenzverfahren eröffnen.

Tatsächlich findet ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren eher selten statt. Denn wenn die Gläubiger den Plan vorher schon abgelehnt haben, werden sie meist auch bei einer Anfrage durch das Gericht nicht bereit sein, einen Teil ihrer Forderungen im Rahmen eines Vergleichs abzuschreiben.

  1. Insolvenzverfahren

Verspricht ein Schuldenbereinigungsverfahren nicht ausreichend Erfolg, eröffnet das Insolvenzgericht auf Antrag das gerichtliche Insolvenzverfahren.

Für den Antrag gibt es amtliche Vordrucke, die der Schuldner zusammen mit seinem Berater durcharbeiten und ausfüllen muss. Bis Ende März 2021 können noch die bisherigen Formulare verwendet werden, danach soll es neue Vordrucke geben.

Der Antrag muss dann noch um eine Liste mit allen Gläubigern und Schulden sowie eine Übersicht mit dem vorhandenen Vermögen ergänzt werden.

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Das Gericht überprüft im ersten Schritt, ob die Verfahrenskosten gedeckt sind oder ob es einem Antrag auf die Stundung dieser Kosten stattgibt. Die Stundung hat zur Folge, dass sämtliche Kosten im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren erst nach der Restschuldbefreiung fällig werden.

Danach eröffnet das Gericht das Verfahren und gibt die Eröffnung auf der Webseite Insolvenzbekanntmachungen.de bekannt. Außerdem wird nun ein Treuhänder bestimmt. Seine Aufgabe ist, das vorhandene Vermögen zu verwerten.

Dabei gehört alles zur Insolvenzmasse, was bei einer Zwangsvollstreckung gepfändet werden könnte. Der Schuldner sollte sich um ein gutes Verhältnis mit dem Treuhänder bemühen. Denn im weiteren Verlauf des Verfahrens kümmert er sich um alle organisatorischen Aufgaben.

  1. Wohlverhaltensphase

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt der Schuldner die pfändbaren Anteile seines Einkommens für die nächsten drei Jahre an den Treuhänder ab. Dieser Zeitraum ist die sogenannte Abtretungsfrist. Die Höhe des pfändbaren Anteils ist in der Pfändungstabelle festgelegt und richtet sich unter anderem danach, ob und für wie viele Personen der Schuldner Unterhalt bezahlen muss.

In den drei Jahren darf der Schuldner keine neuen Schulden anhäufen, die unangemessen sind oder vermeidbar waren. Andernfalls kann das Gericht die Restschuldbefreiung versagen. Erbt der Schuldner, muss er die Hälfte des Erbes an den Treuhänder abgeben. Ein Lottogewinn fließt komplett in die Insolvenzmasse.

Außerdem muss der Schuldner arbeiten gehen. Ist er arbeitslos, muss er nachweisen, dass er sich ernsthaft um einen Job bemüht und zumutbare Jobangebote nicht leichtfertig ablehnt. Während des Insolvenzverfahrens muss der Schuldner also so gut wie möglich dazu beitragen, die Schulden abzutragen. Deshalb wird auch von der Wohlverhaltensphase gesprochen.

  1. Insolvenzplanverfahren

Diese Phase gibt es noch nicht so lange. Durch die neuen Regeln soll sie mehr Flexibilität ins Insolvenzverfahren bringen.

Treten während der Wohlverfahrensphase Änderungen in den Vermögensverhältnissen auf, kann der Schuldner einen neuen Anlauf starten, um sich mit den Gläubigern zu einigen und das Verfahren dadurch vorzeitig zu beenden.

Denkbar ist das zum Beispiel, wenn der Schuldner einen größeren Betrag erbt oder einen Geldgeber findet, der die Schulden begleicht. Aber auch die Gläubiger können Verhandlungsbereitschaft signalisieren, wenn das Verfahren bis dahin zu ihrer Zufriedenheit verlaufen ist.

  1. Restschuldbefreiung

Drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet das Gericht, ob der Schuldner von den verbliebenen Schulden befreit wird.

Die Neuregelung, die seit Oktober 2020 gilt, führt hier dazu, dass die Mindestquote abgeschafft wurde. Davor war es so, dass der Schuldner mindestens 35 Prozent der Schulden beglichen haben musste. Auch die Verfahrenskosten müssen zu diesem Zeitpunkt noch nicht in vollem Umfang bezahlt sein.

Hat sich der Schuldner während der Wohlverhaltensphase an alle Verpflichtungen gehalten und spricht auch sonst nichts dagegen, befreit das Gericht den Schuldner von seinen Restschulden.

Hat der Schuldner Unterhaltsschulden, sind sie von der Restschuldbefreiung aber nicht erfasst. Den Unterhalt, zu dem der Schuldner verpflichtet ist, muss er also nach wie vor begleichen. Gleiches gilt für eine Steuerhinterziehung, die ein Gericht durch Urteil bestätigt hat, und für ein zinsloses Darlehen, das für die Kosten des Insolvenzverfahrens vorgesehen war.

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Wie hoch sind die Kosten bei einer Verbraucherinsolvenz?

Bei einer Verbraucherinsolvenz fallen Kosten für das Gerichtsverfahren und den Treuhänder an. Dazu können noch die Kosten für den Schuldnerberater oder Rechtsanwalt kommen.

Die Gerichts- und Treuhänder-Kosten berechnen sich nach der Insolvenzmasse. Je höher das pfändbare Einkommen und Vermögen ist, desto höher fallen auch die Kosten aus.

Hat der Schuldner keine Vermögenswerte und kein pfändbares Einkommen, belaufen sich die Mindestgebühren auf rund 2.000 Euro. Diesen Betrag kann der Schuldner in Raten abstottern.

Während einige Schuldnerberatungsstellen kostenfrei arbeiten, stellen andere Berater und Anwälte für ihre Unterstützung Beratungskosten in Rechnung. Der Schuldner hat zwar die Möglichkeit, sich vom Amtsgericht einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe geben zu lassen.

Dann trägt der Staat die Kosten. Allerdings schließt die Übernahme nur die Kosten ein, die für das Erstellen des Schuldenbereinigungsplans und den Versuch des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens entstehen.

Der Insolvenzantrag und die Vertretung im Insolvenzverfahren sind nicht abgedeckt. Eine Prozesskostenhilfe kennt das Insolvenzverfahren nicht. Der Schuldner sollte daher vorab klären, welche Beratungskosten auf ihn zukommen.

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Ein Gedanke zu „Die neuen Regeln bei der Verbraucherinsolvenz, 2. Teil“

  1. Wenn es so weiter geht, wird meine Schwester wohl eine Verbraucherinsolvenz beantragen müssen…
    Egal, ich bin ihr großer Bruder und habe ihr immer geholfen, auch da werde ich sie unterstützen. 🙂

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