Welche Aufgaben haben eigentlich Zinsen?

Welche Aufgaben haben eigentlich Zinsen? 

Wer einen Kredit in Anspruch nimmt, muss dafür Zinsen bezahlen. Wer seine Ersparnisse bei einer Bank anlegt, leiht der Bank im Prinzip sein Geld, denn sie kann nun mit dem angelegten Kapital arbeiten. Deshalb wird der Sparer zu einer Art Kreditgeber und bekommt als solcher Zinsen.

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Dieses Prinzip mit Zinsen als Gebühren für geliehenes Geld hat sich so fest etabliert, dass es für viele fast schon selbstverständlich ist. Aber: Welche Aufgaben haben eigentlich Zinsen? Woraus bestehen Zinsen? Und wie wirken sich Zinsen aus?  

Welche Aufgaben haben eigentlich Zinsen?

Auch wenn das Zinsprinzip gängige Praxis ist, gehört der Zins zu den Themen der Wirtschaftswissenschaften, die am komplexesten sind und am heftigsten diskutiert werden. Es gab und gibt immer wieder Ökonomen, die versucht haben, eine überzeugende Zinstheorie zu formulieren. Bis heute ist das aber nicht gelungen. 

Die Wirtschaftswissenschaften sind sich zwar weitgehend darüber einig, dass Zinsen notwendig sind und sich positiv auf die Wirtschaft auswirken. So besteht die Hauptaufgabe von Zinsen darin, dabei zu helfen, den Geldkreislauf zu steuern. 

Das Geld soll durch die Zinsen zu den Unternehmen und Menschen geleitet werden, die das Geld sinnvoll nutzen und so sowohl den Geldkreislauf als auch den Wirtschaftskreislauf in Bewegung halten. Im Umkehrschluss sollen Zinsen bewirken, dass das Geld nicht in falsche oder sinnlose Investitionen fließt. Wissenschaftlich fundierte Beweise dafür, dass Zinsen diese Aufgaben auch wirklich erfüllen, gibt es aber nicht.   

Wie setzen sich Zinsen zusammen?

Der Zins besteht aus vier Bestandteilen:

Dies sind 1.       die Liquiditätsprämie. 

Eine Bank ist dazu verpflichtet, ein Prozent der Kreditsumme mit Geld von der Zentralbank abzusichern. Die Zentralbank erhebt dafür, dass sie der Bank Geld leiht, ebenfalls Zinsen. Diese Zinskosten erhöht die Bank um einen bestimmten Aufschlag und gibt sie dann an den Kreditnehmer weiter. Je niedriger der Leitzins bei der Europäischen Zentralbank ist, desto günstiger kommt die Bank an Geld. Dadurch kann auch die Liquiditätsprämie geringer ausfallen. Allerdings muss eine Bank einen günstigen Zinssatz bei der Zentralbank nicht an ihre Kunden weiterreichen. 

2.       die Risikoprämie. 

Durch die Risikoprämie sichert sich eine Bank für den Fall ab, dass der Kreditnehmer das geliehene Geld nicht ordnungsgemäß zurückzahlen kann. Je höher eine Bank das Risiko von Zahlungsausfällen einschätzt, desto höher fällt auch die Risikoprämie aus. 

3.       die Inflationsprämie. 

Die Inflationsprämie ergibt sich aus der Inflationsrate, die pro Jahr erwartet wird.

4.       die Bearbeitungsgebühr. 

Für die Dienstleistungen, die beispielsweise eine Bank erbringt, stellt sie Gebühren in Rechnung. Diese Bearbeitungsgebühr fließt in den Zins mit ein. Diese vier Komponenten ergeben zusammen den sogenannten Nominalzins.

Dabei sind die vier Zinsbestandteile unterschiedlich gewichtet und auch der Nominalzins im Ganzen fällt verschieden aus. Faktoren, die die Höhe des Nominalzinses bei einem Kredit beeinflussen, sind unter anderem die Höhe der Kreditsumme, die aktuelle Situation auf den Finanzmärkten und die Bonität des Kreditnehmers. 

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Werden vom Nominalzins die Inflationsprämie abgezogen und nur die drei übrigen Bestandteile Liquiditätsprämie, Risikoprämie und Bearbeitungsgebühr betrachtet, ergibt sich eine weitere Zinsart. Der Fachausdruck für diesen Zins lautet Realzins. Der Realzins ist also der Nominalzins minus Inflationsrate. 

Welche Auswirkungen haben Zinsen?

Zinsen haben eine Exponentialfunktion. Diese führt dazu, dass sich großes Vermögen schneller vermehrt als kleines Vermögen. Genauso wächst ein großer Schuldenberg schneller als ein kleiner Schuldenberg. Wenn Ersparnisse beispielsweise mit einem Zinssatz von 7 Prozent verzinst werden, bewirkt die Exponentialfunktion, dass sich das Vermögen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt hat.

Hatte der Anleger 5.000 Euro gespart, sind nach zehn Jahren daraus also 10.000 Euro geworden. Hatte der Anleger hingegen eine Million Euro als Vermögen, hat er nach zehn Jahren schon zwei Millionen auf seinem Konto. Auf der anderen Seite zahlt jeder Zinsen, selbst dann, wenn er selbst gar keinen Kredit in Anspruch nimmt. 

Dies erklärt sich damit, dass in Preisen die Kosten für Kredite eingerechnet sind. Wenn ein Unternehmen oder ein Dienstleister seine Preise kalkuliert, bezieht er die Zinsen, die er für seine laufenden Kredite bezahlen muss, also in die Preisgestaltung mit ein.

Bei den Wasserpreisen machen beispielsweise die Zinskosten im Durchschnitt rund 15 Prozent aus, bei Wohnungsmieten können die Zinsanteile bei 50 Prozent und mehr liegen. Statistiken zufolge gibt jeder Bürger in Deutschland knapp ein Drittel seines Geldes für versteckte Zinsen aus. Wenn nun diese versteckten Zinsausgaben mit den Zinseinnahmen, die Ersparnisse und Anlageprodukte erwirtschaften, gegen gerechnet werden, bleibt für einen Großteil der Sparer unterm Strich ein Minus stehen. 

Nur bei etwa zehn Prozent der Sparer fallen die Zinseinnahmen genauso hoch aus wie die Zinsausgaben. Bei weiteren zehn Prozent sind die Zinseinnahmen höher. Bei diesen zehn Prozent handelt es sich aber um die sehr reichen Personen mit großen Vermögen.

Ihnen fließt dann auch weit mehr als die Hälfte aller Zinszahlungen zu. Bei 80 Prozent der Bevölkerung hingegen sind die Ausgaben für versteckte Zinsen höher als die Zinsen, die sie für ihre Ersparnisse erhalten. Das Zinsprinzip ist somit ein Grund dafür, warum Reiche immer reicher werden und die Schere zwischen arm und reich zunehmend auseinanderklafft. 

Dieses Phänomen lässt sich übrigens auch bei vielen Entwicklungs- und Schwellenländern beobachten. So konnten einige Staaten vor allem in den 1970er-Jahren ihre Wirtschaftsleistung zwar deutlich steigern, wurden aber trotzdem nicht reicher. Das lag daran, dass sie Kredite in Anspruch genommen hatten, um ihre Investitionen zu finanzieren. 

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Die Folge davon war, dass die Zinslast die gesteigerte Wirtschaftsleistung komplett wieder auffraß oder sogar überschritt. Statt reicher zu werden, wurde die finanzielle Situation dadurch mitunter noch schwieriger. Ähnlich ergeht es derzeit den Krisenstaaten in Europa, die vor allem mit der teils enormen Zinsbelastung zu kämpfen haben.

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Simon Schubert, - Finanzberater, Timo Sustack, - Finanzwirt, Elke Husung, - Senior Finance Managerin und Christian Gülcan seit 30 Jahren Unternehmer, Gründer, VC-Investor, Kryptoinvestor, Betreiber und Redakteur dieser Seite, schreiben hier Wissenswertes, Tipps und Ratgeber zu Finanzangelegenheiten, Geldanlagen, Finanzierungen und Bankwesen. Die Inhalte des Informationsangebots, stellen keine Finanzberatung oder Anlageberatung dar - somit ersetzen die Inhalte auch keine persönliche Beratung mit einen Finanzberater oder Steuerberater.

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